Impfstoffe effizienter herstellen – Patienten schonender behandeln
In dem von der Fraunhofer-Gesellschaft geförderten Projekt ELVIRA adaptieren die vier Institute FEP, IGB, IPA und IZI eine neue Methode, um Viren für den Einsatz als Impfstoff zu inaktivieren. Heute werden zur sogenannten Impfstoffinaktivierung toxische Chemikalien wie etwa Formaldehyd verwendet. Ziel des Konsortiums ist die Entwicklung von Impfstoffen mit größerer Wirksamkeit und geringeren Nebenwirkungen. Dies soll durch Inaktivierung von Pathogenen mittels niederenergetischem Elektronenstrahlprozess erreicht werden. Gefördert werden die Aktivitäten durch die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die Bill & Melinda Gates Foundation.
Durch den Einsatz von Impfstoffen können viele Infektionskrankheiten in der Human- und Veterinärmedizin erfolgreich bekämpft werden. Dabei handelt es sich in der Regel um Tot-Impfstoffe. Dafür werden Viren in Flüssigkeit vermehrt und anschließend inaktiviert. Die Erreger sind damit nicht mehr infektiös, die inaktivierten Fragmente bilden bei einer Impfung die Grundlage für die Immunantwort und damit den Impfschutz. Trotz enormer Fortschritte gibt es noch immer einen großen Bedarf an innovativen Technologien zur Entwicklung von Impfstoffen, die effektiv und langandauernd vor einer Infektion schützen, dabei aber für das geimpfte Individuum ohne Risiken sind. Dies wird bei der Herstellung von Tot-Impfstoffen deutlich: für die Inaktivierung von Viren zum Einsatz als Impfstoff werden seit Jahrzehnten Chemikalien wie Formaldehyd verwendet. In der Humanmedizin werden diese Impfstoffe z. B. gegen Grippe, Kinderlähmung (Polio) oder Hepatitis A eingesetzt. Die Verwendung von Formaldehyd führt allerdings zu einer chemischen Veränderung in der Struktur der Erreger, was in einer abgeschwächten Wirksamkeit des Impfstoffs resultiert. Dies muss durch höhere Impfmengen, mehrmaliges Auffrischen der Impfung und Wirkungsverstärker (Adjuvanzien) ausgeglichen werden. Zudem bedeutet die Inaktivierung mittels chemischer Behandlung einen enormen Zeitaufwand, da die Erreger so nur sehr langsam inaktiviert werden. Beispielsweise benötigt Formaldehyd etwa zwei Wochen, um Polio-Viren, den Auslöser der Kinderlähmung, vollständig zu inaktivieren. Dieser Zeitaufwand ist für die Industrie ein Nachteil wodurch enorme Kosten entstehen. Darüber hinaus wird die gesellschaftliche Akzeptanz vieler Impfstoffe durch die Angst vor Nebenwirkungen gehemmt. Auch die Reaktion auf die schnelle und zum Teil epidemische Ausbreitung neuere Erreger kann mittels chemischer Inaktivierung immer nur zeitversetzte erfolgen.
Inaktivierung von Viren mit Elektronenstrahlen
Eine vielversprechende Alternative haben Forscher der Fraunhofer-Institute für Zelltherapie und Immunologie IZI, für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP und für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickelt. Mit der neuen Methode wird die Herstellung wirksamerer Impfstoffe unter Verzicht von Chemikalien vorangetrieben.
Die Erreger werden dabei durch die Bestrahlung mit niederenergetisch beschleunigten Elektronen inaktiviert, wobei die für die erfolgreiche Impfung wichtigen Antigene erhalten bleiben. Die Untersuchungen zeigen, dass auch verschiedenen Erregertypen mit dieser Methode inaktiviert werden können. Durch die Bestrahlung wird die zur Vermehrung notwendige Erbsubstanz der Viren zerstört. Im Gegensatz zur chemischen Inaktivierung bleiben jedoch die für die Immunantwort wichtigen Oberflächenstrukturen, d.h. die Antigene zu einem sehr hohen Anteil erhalten.
Während das Fraunhofer IGB zusammen mit dem Fraunhofer IZI an der Herstellung und immunologischen Charakterisierung der Erreger arbeitet, befassen sich das Fraunhofer FEP und das Fraunhofer IPA gemeinsam mit der Entwicklung eines Prototyps für die automatisierte Bestrahlung zur Elektronenbehandlung von Flüssigkeiten. Nachdem mit der verfügbaren Elektronenstrahltechnologie zunächst nur Batch-Versuche möglich waren, sind inzwischen erste Prototypen zur Automatisierung des Versuchsbetriebes entwickelt. Diese experimentelle Basis wurde inzwischen am Fraunhofer IZI in Leipzig im S2-Labor installiert. Durch die Verwendung niederenergetisch beschleunigter Elektronen entsteht somit eine neuartige, kompakte und hocheffiziente Technologie für die Herstellung von sicheren und kostengünstigen Impfstoffen. Da sich niederenergetische Elektronenstrahlprozesse (<300kV) durch geringen Aufwand zur Abschirmung kennzeichnen, ist die Integration der Technologie für bestehende Herstellungsprozessen problemlos möglich. Die Automatisierung des Liquid Handlings erlaubt dabei eine in-line Integration in bestehende Prozessketten.