01 | 2020 – Einsatz niederenergetischer Elektronen für innovative biotechnologische Prozesse und ihr Monitoring
Das Fraunhofer FEP beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Entwicklung von Prozessen und Anlagen zur Reinigung, Sterilisation und Oberflächenmodifizierung mittels Elektronenstrahltechnologie. Fraunhofer-Forscher aus dem Bereich Medizinische und Biotechnologische Applikationen (MBA) wollen nun ein Verfahren entwickeln, das biotechnologische Prozesse mit niederenergetischer Elektronenstrahltechnologie kombiniert. Das hybride biotechnologische Verfahren soll mit der bestehenden Kompetenz auf dem Gebiet der Sensorik verknüpft werden. Im Rahmen der Messe MedtecLIVE, vom 31. März bis 2. April 2020, in Nürnberg, in Halle 10, Stand 10.0.513, werden die anvisierten Forschungsschwerpunkte vorgestellt.
Die Biotechnologie-Branche ist ein Innovationsmotor der deutschen Wirtschaft. Dabei hat sich Sachsen zu einer der gefragtesten Biotech-Regionen entwickelt und zeichnet sich durch eine dynamische Standortentwicklung aus. Die Biotechnologie ist ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet, das Aspekte der Verfahrenstechnik mit den biologischen Disziplinen der Genetik, Zell- und Mikrobiologie vereint. Moderne biotechnologische Verfahren leisten einen herausragenden Beitrag bei der Entwicklung alternativer, umweltfreundlicher Produktionsprozesse. Im Zentrum biotechnologischer Prozesse stehen Organismen (u. a. Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen), die als Ressource für die gezielte industrielle Produktion eingesetzt werden. Die Vielfalt biotechnologischer Erzeugnisse ist groß und erstreckt sich über Vitamine, Arzneimittel, Kosmetika, Waschmittel, Reinigungsmittel und Feinchemikalien.
Niederenergetisch beschleunigte Elektronen als vielseitiges Instrumentarium werden am Fraunhofer FEP häufig eingesetzt, um z. B. innovative Medizinprodukte zu sterilisieren und Saatgut zu beizen. Die Vorteile der Verwendung von Elektronen im Niederenergiebereich für Life Science Applikationen liegen auf der Hand: die Anforderungen an die Abschirmkonstruktionen sind minimal, die Anlagen sind kompakt und somit gut in eine bereits bestehende Produktionskette integrierbar und die Energieeinträge in das zu behandelnde Produkt sind bei diesen nicht-thermischen Prozessen gering.
Das visionäre Ziel der Arbeitsgruppe Biotechnologische Prozesse des Bereiches MBA am Fraunhofer FEP ist die Kopplung eines bestehenden Bioreaktors mit einer niederenergetischen Elektronenquelle. Mit dieser hybriden Konstruktion ist erstmals eine direkte Behandlung von Flüssigkeiten mit Elektronen möglich. Dabei ist die hybride Systemlösung einzeln konfigurierten Verfahren in Bezug auf Energie- und Ressourceneinsatz überlegen.
Die Anwendungsfelder für die neue Hybridtechnologie sind vielfältig und können beispielsweise für die Pharmaindustrie und Umwelttechnik genutzt werden. Dr. Simone Schopf, Arbeitsgruppenleiterin für Biotechnologische Prozesse ist überzeugt: „Mit der neuartigen hybriden Technologie können wir einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Umwelt leisten. So können wir Verunreinigungen, wie Arzneimittelrückstände, in pharmazeutischen Abwässern abbauen, um die Wasserqualität zu verbessern. Darüber hinaus ist auch die Produktion biologisch abbaubarer Polymere in einem energieeffizienten Prozess unter Verwendung von niederenergetisch beschleunigten Elektronen denkbar.“
Damit der gewünschte biotechnologische Prozess stabil abläuft und zu einer hohen Produktqualität führt, ist die Überwachung und Regelung von Prozessparametern im Bioreaktor wie beispielsweise dem gelösten Sauerstoff und der Temperatur essentiell. Diese kritischen Faktoren beeinflussen die Lebensfähigkeit und Produktivität der Organismen und damit letztendlich jeden einzelnen Schritt der ablaufenden Prozesskette maßgeblich. Erstrebenswert ist eine kontinuierliche Prozessanalytik, das heißt die Evaluierung der Einhaltung optimaler Wachstums- bzw. Produktbildungsbedingungen im Sinne einer Echtzeitüberwachung.
Dieser Herausforderung stellten sich Wissenschaftler am Fraunhofer FEP aus dem Bereich Mikrodisplays und Sensorik in einem gemeinsamen Projekt zusammen mit dem Bereich MBA und bündelten ihre Kompetenzen in der Sensorentwicklung und Biotechnologie. Speziell für die Sensorevaluation in Flüssigkeiten etablierten sie mittels eines stationären Aufbaus das Sensorik-Testbed SensBio, was sich von der herkömmlichen Sensorik für Gase maßgeblich unterscheidet. Parallel wurde außerdem ein neuartiger Sauerstoff-Sensorchip entwickelt, der im Sensorik-Testbed bereits erfolgreich im flüssigen Medium getestet werden konnte. Darauf aufbauend wollen die Wissenschaftler noch einen Schritt weitergehen und mit Multikanal-Sensoren die Detektion mehrerer Parameter auf einem Sensor gleichzeitig verfolgen und so eine platzsparende Echtzeit-Prozessüberwachung generieren.
Frau Dr. Ulla König, stellvertretende Bereichsleiterin MBA, ist überzeugt: „Die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP sind hochmotiviert, die Möglichkeiten der neuartigen Technologie in verschiedenen Bereichen der Biotechnologie, Pharmaindustrie und Medizintechnik zusammen mit potentiellen Partnern aus Industrie und Forschung auszuschöpfen“.
Das Sensorik-Testbed SensBio kann zur umfangreichen Sensor-Validierung mit standardisierter Umgebungscharakteristik als Serviceangebot auch von externen Interessenten genutzt werden.