15 | 2018 – Industrie 4.0: Schutzbrille ab, Datenbrille auf
Schutzhelme mit integrierten Mikrodisplays oder kombinierten Datenbrillen werden in naher Zukunft Produktionsstrecken überwachen, den Arbeiter über Gefahren informieren oder Lagerplätze einblenden. Das Fraunhofer Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik entwickelt dazu OLED-Mikrodisplays und Sensorik als Grundlage für intelligente Datenbrillen in Industrie 4.0, Medizin, Automotive oder Freizeit. Das jeweilige Displaykonzept und Parameter wie Auflösung, Pixelgröße und Zusatzfunktionen können je nach Anwendung z.B. zur Zustandsüberwachung, in der Logistik oder Produktion variiert und kombiniert werden. Die Bandbreite reicht u.a. von höchstaufgelösten Mikrodisplays in extended-full-HD für AR/VR über äußerst stromsparende Varianten (ultra-low power) für Wearables. Evaluations-Kits als Entwicklungswerkzeuge sind erhältlich.
Die Industrie 4.0 wird durch intelligente Fabriken, sogenannte „Smart Factories“, bestimmt. Somit verändert sich die Art und Weise, wie zukünftig in Deutschland produziert und gearbeitet wird. Produktions- und Logistikprozesse werden intelligent miteinander verzahnt, um die Prozesse effizienter und flexibler zu gestalten. Dabei wird den Themen Augmented und Virtual Reality (erweiterte und virtuelle Realität) eine wachsende Bedeutung zugesprochen.
Die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP in Dresden sind spezialisiert auf die Entwicklung von speziellen Mikrodisplays für AR- und VR-Datenbrillen. Die Mikrodisplays basieren auf der OLED-auf-Silizium-Technologie. Im Unterschied zu anderen Displayarten wird für OLED-Mikrodisplays keine zusätzliche Beleuchtung benötigt, da diese selbstleuchtend sind. Sie ermöglichen so vereinfachte Optiken und deutlich höhere Kontrastverhältnisse. Darüber hinaus kann eine Kamerafunktion direkt in das Display integriert und damit eine Steuerung mit den Augen ermöglicht werden.
„Die kompakten Displays eignen sich besonders für den industriellen Einsatz. Beispielweise können diese in Arbeitsbrillen verbaut werden und blenden dem Werker so alle erforderlichen Informationen wie Entnahmeplatz oder Teilenummer ein“, erläutert Dr. Uwe Vogel, Leiter des Bereichs Mikrodisplays und Sensorik am Fraunhofer FEP.
Fraunhofer FEP entwickelt seit über 10 Jahren OLED Mikrodisplays und Sensoren für verschiedenste Anwendungen. Eines der letzten Highlights ist ein neuartiges Konzept für innovative ultra-low power OLED Mikrodisplays. Dieses wurde in einem FEP internen Strategieprojekt entwickelt und später für den französischen Partner MICROOLED adaptiert. Die Mission der Forscher war es, die entwickelte Technologie der hochinnovativen
ultra-low power OLED Mikrodisplays in die Wirtschaft zu transferieren, damit diese in Endanwendungen integriert und in Massenfertigung produziert werden können. Diese Anstrengungen wurden Ende des letzten Jahres mit dem Deutsch-Französischen Wirtschaftspreis belohnt.
Aktuell wird nun mit Partnern im Verbundprojekt Glass@Service, an dem unter anderem Siemens, UVEX und Ubimax beteiligt sind, an Use Cases der Datenbrille für die Industrie 4.0 gearbeitet. Die Logistik stellt dabei eines der großen Anwendungsfelder dar. Dank Datenbrille hat der Lagerist beide Hände frei für seine Tätigkeiten und wird konsequent über das Display seiner Datenbrille durch die einzelnen Prozesse geleitet. Während er sich ganz seiner primären Aufgabe widmen kann, werden zeitgleich alle Daten übertragen – was wurde gepickt oder gepackt und wo geht es als nächstes hin.
Auch das Rüsten kann mithilfe der Datenbrille deutlich vereinfacht werden. Die AR-Anwendung zeigt die Maschine im gerüsteten Zustand, wobei die einzubauenden Maschinenteile direkt in das Sichtfeld eingeblendet werden. Abweichungen zwischen bereits eingebauten und auszutauschenden Maschinenteilen können ebenfalls angezeigt werden.
Um die OLED-auf-Silizium-Technologie in den Datenbrillen anwendungsgerecht einzusetzen, bieten die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP Evaluation Kits (Entwicklungswerkzeuge) an. Auch kundenspezifische OLED-Mikrodisplays können entwickelt werden, welche speziell auf den Einsatzzweck des Displays angepasst sind.
Insbesondere für Mikrodisplays in consumer-tauglichen Augmented–Reality (AR) Brillen sehen die Forscher jedoch bislang ungelöste Herausforderungen, die sie künftig angehen wollen: Sehr hohe Helligkeiten und Effizienz, gute Ausbeute bei großer (Chip-)Fläche, gekrümmte Oberflächen (für kompaktere Optik) und irreguläre Pixelmatrizen bei noch höherer Pixeldichte, integrierte Augenverfolgung und transparente Substrate.