05 | 2017 – Kreatives Wärmepumpen-Konzept heizt und kühlt gleichzeitig
Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP als ein führender Anbieter von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Dünnschichttechnologien hat für seinen Anlagenpark gemeinsam mit der Firma Johnson Controls Systems & Service GmbH (Johnson Controls) eine besonders effiziente Wärmepumpe projektiert und installiert.
Das Fraunhofer FEP arbeitet an innovativen Lösungen auf den Gebieten der Vakuumbeschichtung, der Oberflächenbehandlung und der organischen Halbleiter. Grundlage dieser Arbeiten sind die Kernkompetenzen Elektronenstrahltechnologie, Sputtern, plasmaaktivierte Hochratebedampfung und Hochrate-PECVD sowie Technologien für organische Elektronik und IC-/Systemdesign.
Johnson Controls ist ein führender Anbieter von Produkten und Serviceleistungen im Bereich Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik, industrieller Kühl- und Kältetechnik, Gebäudeautomation sowie Sicherheitstechnik und Brandschutz. Bereits seit 1997 ist Johnson Controls mit seiner Niederlassung in Dresden als Ausrüster des Fraunhofer FEP mit der MSR- sowie Gebäudeleittechnik tätig.
Resultierend aus den Arbeitsgebieten des Fraunhofer FEP benötigen die Versuchsanlagen eine sehr umfangreiche und stabile Kühlwasserversorgung auf einem Temperaturniveau von ungefähr 25 Grad Celsius. Das in den Versuchsanlagen erwärmte Kühlwasser (~28 °C) fließt dabei zu einem Sammeltank zurück und wird von dort aus (abgekühlt durch einen Kühlturm) wieder den Versuchsanlagen zur Verfügung gestellt. Im aktuellen Fall liegt die thermische Leistung unter Berücksichtigung der gegebenen Gleichzeitigkeiten der Versuchsdurchführung bei maximal 500 Kilowatt.
Die Versuchsanlagen des Fraunhofer FEP befinden sich fast ausschließlich in großen Technikumshallen. Die Temperierung dieser Hallen erfolgt mittels zentraler Raumlufttechnik (RLT). Als Heizmedium steht hier aus Fernwärme umgewandelte Nahwärme zur Verfügung. Die maximale thermische Leistung dieser RLT-Geräte liegt insgesamt bei ungefähr 400 Kilowatt.
Das Fraunhofer FEP ist immer auf der Suche nach innovativen technischen Lösungen. Aufgrund des im Institut vorhandenen Fachwissens über den gleichzeitigem Abwärmeanfall und der benötigten Heizenergie hatten die Techniker die innovative Idee, eine Wärmepumpenanwendung zu konzipieren, die beides nutzbringend verbindet. Bereits in einem ähnlichen Fall haben Fraunhofer FEP und Johnson Controls gemeinsam eine Wärmepumpe zur Nutzung der Abwärme (15 kW) aus einem IT-Serverraum zur Versorgung der Heizung des Büro-Gebäudes realisiert. Die als „Abfallprodukt“ im Wärmepumpenprozess anfallende „Kälte“ wird dabei für die aktive Kühlung des Serverraumes genutzt. Diese Anwendung war technisch und wirtschaftlich so erfolgreich, dass nun der nächste größere Schritt gegangen werden sollte. Dokumentiert wird der wirtschaftliche Erfolg durch ein Return on Invest von unter drei Jahren. Üblicherweise erreichen Wärmepumpenanwendungen eine Leistungszahl von ~4,5. Die beschriebene Anlage weist jedoch sogar eine Leistungszahl von ~7,5 auf. Dabei stellt die Leistungszahl das Verhältnis von gewonnener thermischer Energie zu aufgewendeter elektrischer Energie dar.
Für die ausgewogene Dimensionierung der neuen Wärmepumpe musste ein Leistungsbereich ermittelt werden, der möglichst hohe Vollbenutzungsstunden garantiert. Aufgrund von verschiedenen Messungen wurde die Wärmepumpe wie folgt ausgelegt: Heizleistung 115 Kilowatt, Kühlleistung 90 Kilowatt.
Für dieses Projekt konnte nicht auf eine Standardlösung zurückgegriffen werden. Johnson Controls als Lieferant der Wärmepumpe installierte ein System aus zwei Verdichtern (je 50 %), von denen einer stufenlos regelbar und der zweite einstufig ausgelegt wurde.
Heizungsseitig wurde die Wärmepumpe in den RLT-Zubringerkreis eingebunden. Die Anpassung der Regelung und Hydraulik war schwierig, wurde aber gelöst. Eine ausschließliche Versorgung des RLT-Kreises hätte in den Nachtstunden und am Wochenende aufgrund des Institutsbetriebes zum Stillstand der Wärmepumpe geführt. Somit wurde in dem statischen Heizkreis (Leistung max. 50 kW) ein – wenn auch kleiner – zusätzlicher Abnehmer gefunden, der eine Teillast übernehmen kann. Hinzu kommt, dass der Wärmeanfall in den Versuchsanlagen am Wochenende ohnehin sehr eingeschränkt ist.
Sämtliche Aufgabenstellungen – ob im laufenden Institutsbetrieb oder bei Anforderungen an Um-/Erweiterungsbauten – wurden gemeinsam mit Johnson Controls (Niederlassung Dresden) in einem vertrauensvollen und partnerschaftlichen Verhältnis durchgeführt. Den Projektbeteiligten war klar, dass das anspruchsvolle Projekt nur so erfolgreich durchgeführt werden kann und Anpassungen, auch nach erfolgter Inbetriebnahme, unvermeidbar sind.
Gerd Obenaus, Leiter Technik am Fraunhofer FEP, erläutert die Voraussetzungen für das gute Gelingen des anspruchsvollen Projektes: „Alle Projektbeteiligten müssen sich im Klaren sein, dass hier mit erheblichem Aufwand für Inbetriebnahmen und nachgelagerten Anlagenoptimierungen zu rechnen ist. Außerdem muss der Betreiber vor Ort seine Anlage sowie die zugehörige Peripherie/Anlagenfahrweise sehr gut kennen. Die Fähigkeit und der Wille des Betreibers, selbst Optimierungen im Betrieb auszuführen, sind dringend notwendig und für den Erfolg unverzichtbar.“
Frank Rostalsky, Teamleiter Service MSR der Niederlassung Dresden, beschreibt die gestellten Anforderungen: „Von uns wird erwartet, dass wir uns auf die vorgegebene Verfahrensweise einstellen und dem Betreiber die Möglichkeiten dazu geben. Hierfür war es notwendig, alle Parameter der Anlage offenzulegen und für Optimierungen freizugeben.“
Während der umfangreichen Inbetriebnahme wurden auch Schwachstellen (hydraulisch und regelungstechnisch) an anderen – aber nun von der Wärmepumpe zu versorgenden – Anlagen festgestellt und behoben.
Der Regelbetrieb der Anlage wurde im November 2016 gestartet. Über das normale Maß hinaus wurden viele Mess- und Zähleinrichtungen installiert. Sie sollen den wirtschaftlichen und störungsfreien Betrieb der Anlagen sicherstellen und dokumentieren helfen. Mit ersten Aussagen hinsichtlich der Betriebserfahrungen und Wirtschaftlichkeit wird im Sommer 2017 gerechnet. Die Techniker des Fraunhofer FEP stehen mit ihrem Know-how auch für externe Kunden bereit, um umweltfreundliche Anlagenkonzepte zu erarbeiten.
Fraunhofer FEP und Johnson Controls planen, sich mit der umgesetzten Wärmepumpenlösung für den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt (IKU) zu bewerben. Mit dem Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt (IKU) zeichnen das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie alle zwei Jahre Ideen aus, die im Bereich Klima- und Umweltschutz neue Wege aufzeigen.