11 | 2016 – Gesundes Saatgut vor Ort produzieren

Dresden /

Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP hat gemeinsam mit Projektpartnern, u.a. der Nordkorn Saaten GmbH aus Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern eine hochproduktive, kompakte und skalierbare Anlage zur chemiefreien Behandlung von Saatgut entwickelt. Das neue Konzept wird erstmals auf der 26. Fachausstellung für Landwirtschaft und Ernährung, Fischwirtschaft, Forst, Jagd und Gartenbau (MELA), vom 15. – 18. September 2016 in Mühlengeez, in Halle 2 Stand 249 vorgestellt.

Die Versorgung der wachsenden Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln ist eine enorme Herausforderung, deren Lösung sehr früh in der Produktionskette beginnt. Neben bekannten und etablierten chemischen Beizmitteln existiert ein weiteres Verfahren zur effektiven Abtötung schädlicher Pathogene wie Pilze und Bakterien. Dieses umweltfreundliche, rein physikalische Verfahren zur Desinfektion von Saatgut basiert auf der keimabtötenden Wirkung von beschleunigten Elektronen.

Treffen die energiereichen Elektronen im Wirkbereich auf Schadorganismen, werden diese effektiv abgetötet. Bei der Elektronenbehandlung wird sichergestellt, dass die Elektronen dabei nur so tief in die Schale eindringen, dass ein Einfluss auf den Embryo und das Endosperm im Inneren des Saatkorns nachweislich ausgeschlossen werden kann. Die sichere, chemiefreie Behandlung von Saatgut wurde in langjährigen Entwicklungsprojekten mit unabhängigen Instituten und Unternehmen nachgewiesen. Seit über 15 Jahren wird das vom Fraunhofer FEP entwickelte Verfahren zur Elektronenbehandlung von Saatgut bereits zur Saatgutproduktion eingesetzt. Die Firma Nordkorn Saaten GmbH produziert Elektronen-behandeltes Saatgut mit Anlagen des Fraunhofer FEP und vertreibt es seit 2012 unter der Marke E-VITA®. Die Anlagen sind allerdings groß und wirtschaftlich nur zur großvolumigen Behandlung von bis zu 25 t/h Saatgut konzipiert.

Nicht immer sind jedoch große Mengen an Saatgut zu behandeln. Für kleine bis mittlere Mengen von weniger als 15 Tonnen pro Stunde lohnt sich der Kauf und Betrieb einer großen Anlage meist nicht. Nur wenige Saatgutproduktionsstandorte haben einen Jahresumsatz an Saatgut, der die Investition in eine Großanlage wirtschaftlich rechtfertigt. Hinzu kommen Produkte, bei denen der stündliche Durchsatz meist bei weniger als 5 Tonnen pro Stunde liegt. Dazu gehören unter anderem Gräser, Sprossensamen und Feinsämereien, wie z. B. Gemüse, Klee und Blumen. Die Wissenschaftler des Fraunhofer FEP haben zu diesem Zweck in einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Projekt eine neue Anlagengeneration
entwickelt.

Ziel des Projektes „Ressourcenschonende Saatgutbehandlung mit neuen, preiswerten Elektronenbehandlungsmodulen“ war es, für die Elektronenbehandlung einen breiteren Marktzugang zu schaffen und die Technologie für einen größeren Anwenderkreis interessant zu machen. Im Mittelpunkt stand daher die Entwicklung eines Grundkonzeptes für preiswerte und modulare Elektronenbehandlungseinheiten für die effektive, ressourcenschonende und umweltfreundliche Saatgutbehandlung. Dabei sollten bekannte Defizite behoben und bestehende Hemmnisse durch die Schaffung nutzerfreundlicher und flexibler Lösungen beseitigt werden.

Für die neue Generation von Elektronenquellen wurden folgende Verbesserungen angestrebt und erfolgreich realisiert:

  1. Mindestens Halbierung der Investitionskosten durch Vereinfachung aller Komponenten gegenüber den bisherigen Produktionsanlagen
  2. Bessere Homogenität der aufgebrachten Dosis auch in kompakten Quellen
  3. Einfache und kostenneutrale Skalierbarkeit in einem Durchsatzbereich von 3 bis 12 Tonnen Getreidesaatgut pro Stunde
  4. Signifikante Senkung der durch Wärmeabstrahlung verursachten Leistungsverluste
  5. Einfachere Hochspannungsversorgung
  6. Nutzbarkeit sowohl für etablierte Produkte wie Getreide und Mais sowie auch für neue Produkte wie Feinsämereien, Blumen- und Gräsersamen

Durch die erfolgreiche Realisierung einer solchen Elektronenquelle entstand ein innovatives Werkzeug zur effektiven Saatgutbehandlung bei optimaler Ausnutzung der eingespeisten Energie. Diese Ressourceneffizienz wird durch die Formung der Kaltkathodenquelle in Ringform erreicht.

Herzstück der Anlage ist die neu entwickelte Elektronen-Ringquelle. „Das Besondere an dieser Quelle ist, der Verzicht auf thermische Emitter, was eine freie Formung der Quelle erlaubt. Dadurch kann eine Anlage mit nur einer einzigen Elektronenquelle für die gleichmäßige und allseitige Behandlung genutzt werden“, erklärt André Weidauer, der verantwortliche Projektleiter. „Die neue kompakte Quelle ermöglicht es, die Anlage beispielsweise in einem kleinen Transporter zu montieren und zu betreiben.“

Andreas Prelwitz, Geschäftsführer der Firma Nordkorn Saaten GmbH, schwärmt: „Die neue Anlage ist eine konsequente Weiterführung der bisherigen Technologie zur Elektronenbehandlung von Saatgut. Durch die kompakte Form benötigt die Anlage weniger Energie bei gleicher Wirkung gegen die im und am Samen haftenden Erreger. Nordkorn Saaten wird auch zukünftig sehr stark auf diese alternative Form der Saatgutbehandlung setzen und dabei auch diese neue Technologie nutzen. Die große Nachfrage aus der Landwirtschaft bestätigt in eindrucksvoller Weise die positiven Erfahrungen und die hohe Akzeptanz. Die Elektronenbehandlung von Saatgut liefert einen großen Beitrag zur umweltschonenden Produktion in der Landwirtschaft.“

Diese innovative, mobile, ressourcen- und wirtschaftlich effiziente Anlage mit einem Durchsatz von bis zu 7 Tonnen Getreide pro Stunde ist ab Frühjahr 2017 in Deutschland und im Ausland im Einsatz.

Das Projekt „Ressourcenschonende Saatgutbehandlung mit neuen, preiswerten Elektronenbehandlungsmodulen“ wird aktuell vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMEL unter dem Förderkennzeichen 313-06.01-28-1-54.051-10 mit einer Summe von insgesamt 2.876.626 Euro gefördert. Die Projektpartner Nordkorn Saaten GmbH, BayWa AG und Glatt Ingenieurtechnik GmbH danken dem Fördergeber für die Unterstützung.